JAHRE DES UNHEILS - LITERATUR UNTERM HAKENKREUZ

 

1. Deutschland!!! Brenn ungeheuer!!
2. Widerstehen allein durch Geistesmacht
3. Am Himmel Gottes jagen Furienknechte

Eine dreiteilige Sendereihe von Erwin Rotermund

Bayerischer Rundfunk, Schulfunk

Literatur - ab 10. Schuljahr

Erstsendung:

Dienstag, 12./19./26. Mai 1998, 9.00 Uhr
Donnerstag, 14./28. Mai 1998, 15.00 Uhr (Wdh.)
Sendelänge: je 30 Minuten

        John Heartfield: &quo

"Durch Licht zur Nacht", so lautete die Überschrift dieser Fotomontage, in der John Heartfield zwei Ereignisse zusammenfaßte: den Brand des deutschen Reichstags am 27.2.1933 und die Bücherverbrennungen am 10.5.1933. Das Bild trug die Unterschrift: "Also sprach Dr. Goebbels: Lasst uns aufs neue Brände entfachen, auf dass die Verblendeten nicht erwachen" (1933).


Hitler als Bannerträger in mittelalterlicher Rüstung, gemalt von Hubert Lanzinger. Deutsche Geschichte wurde unter der Herrschaft der Nationalsozialisten als "Volkswerdung" interpretiert, die im "Dritten Reich" gipfelte. Auch die Helden historischer Dramen waren nicht selten mit den Zügen des "Führers" ausgestattet.

Hubert Lanzinger: Bannerträger Hitler

Otto Dix: Die sieben Todsünden (1933)

Otto Dix: Die sieben Todsünden, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Otto Dix rückte 1933 ins Zentrum seines thematisch und technisch traditionell wirkenden Bildes "Die sieben Todsünden" den Zwerg des Neides mit der Hitler-Maske. Nach 1945 fügte er das eindeutige schwarze Bärtchen hinzu. Die sieben Gestalten, die Geiz, Neid, Trägheit, Wollust, Zorn, Hoffart und Völlerei verkörpern, erscheinen vordergründig als zeitlose Allegorien menschlichen Fehlverhaltens. Bei näherem Hinsehen lassen sich jedoch zahlreiche Bezüge zur Gegenwart von 1933 entdecken: So erinnert die vermummte Gestalt des Todes mit ihren weißen Handschuhen und den Streifen auf den Hosenbeinen an die Uniform der SS. Die gleichförmig erhobenen Arme dreier Gestalten lassen sich als Anspielung auf den Hitlergruß verstehen. Im Hintergrund ist an der bröckelnden Mauer einer Ruine ein Nietzsche-Zitat zu lesen: "Die Wüste wächst: weh dem, der Wüsten birgt!" Wer bei Nietzsche weiterliest, stößt auf die Zeile "Der ungeheure Tod blickt glühend braun". So wird das Bild des vorwärtsdrängenden Haufens in einen Kontext gerückt, der weitere Deutungen herausfordert.

Die nationalsozialistische Bewegung hatte mit Adolf Hitlers Ernennung zum Reichskanzler (30.1.1933) und mit Hilfe des "Ermächtigungsgesetzes" (23.3.1933) in Deutschland ihr vorläufiges Ziel erreicht. Im Zuge der "Machtergreifung" der NSDAP und der Konsolidierung des Regimes in den nächsten Jahren kam es zur Entmündigung und Unterwerfung der gesamten deutschen Bevölkerung. Ein hierarchisch-militaristisches Herrschaftssystem und massiver Terror gegen Minderheiten und Andersdenkende, vor allem gegen Juden, Sozialisten und religiöse Opponenten, führten zu massenhafter Emigration und verhinderten, daß die größte Fehlentwicklung der deutschen Geschichte von innen her korrigiert wurde.

Bei der Durchsetzung und Stabilisierung des Gewaltregimes spielte die "nationalsozialistische Weltanschauung" eine zentrale Rolle, eine Sammelideologie, die, (verbal) antikapitalistisch und antisozialistisch ausgerichtet, "Führerprinzip" und autoritäre Herrschaftsform verherrlichte. Sie stellte der vorgeblich dekadenten parlamentarischen Demokratie die nationalsozialistisch-rassistisch begründete "Volksgemeinschaft" gegenüber, der sich der Einzelne entschlossen-heroisch unterzuordnen hatte.

Das wichtigste Instrument zur massenhaften Verbreitung dieser ideologischen Grundvorstellungen und zur allgemeinen "Ästhetisierung der Politik" (Walter Benjamin) war - neben den Medien Presse und Rundfunk - die nationalsozialistische Literatur sowie die mit ihr verbundene völkisch-konservative Dichtung. Die Sendefolge will exemplarisch über ihre Themen, Gattungen, Traditionsbezüge und Entwicklungslinien sowie ihren propagandistischen "Einsatz" in den Festen und Feiern des Regimes informieren.

Des weiteren geht es um die Ansätze zu einer Widerstandsliteratur und die in ein Kulturghetto abgedrängte deutsch-jüdische Dichtung, vor allem aber um die Würdigung jener Literatur der Opposition und Dissidenz, die unter der Bezeichnung "Innere Emigration" bekanntgeworden ist. Schriftsteller und Journalisten verschiedener politischer und religiöser Herkunft haben damals - zwecks Rückgratstärkung ihrer Leser - geistige und moralische Alternativen zur totalitären Herrschaft formuliert und sich auf die christliche Heilsgeschichte, die klassisch-humanistischen und rechtsstaatlichen Grundwerte, den antiken Mythos und die überdauernde Naturordnung berufen. Diese "Gegenwelten" sollen ebenso vorgestellt werden wie die Formen des "Zwischen-den-Zeilen"-Schreibens ("Sklavensprache", "verdeckte Schreibweise"), welche man unter dem Druck der staatlichen Zensurmaßnahmen entwickelte und die bis heute nachwirkende Verständigungsprobleme mit sich brachten.

Eingehende Darlegung findet schließlich die extreme Polarisierung des literarischen Lebens in den Kriegsjahren. Nach 1939 stand die nationalsozialistische Dichtung ganz im Zeichen aggressiver Kriegspropaganda, der "Sinngebung" des völkischen Imperialismus und, am Ende, des "Durchhaltens". Die oppositionelle Literatur hingegen deutete - soweit sie sich noch artikulieren konnte - die sich abzeichnende Niederlage des Faschismus an, formulierte Strategien des Überlebens, forderte radikale religiöse Umkehr und Erneuerung. Sie verwies damit bereits auf die Zeit des gesellschaftlichen Neubeginns nach 1945.

Auszug aus dem Artikel: [Erwin Rotermund:] Jahre des Unheils - Literatur unterm Hakenkreuz, in: Bayerischer Rundfunk, Schulfunk und Schulfernsehen, Heft 9, Mai 1998, S. 29-34.


Die Sendungen können als Kassetten bestellt werden: Staatliche Landesbildstelle Südbayern. Abt. Schulfunk. Am Stadtpark 20. Eingang Maria-Eich-Straße 29. 81243 München (Tel. 089/1265-2530/31. Telefax 089/1265-2505).


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